Page 115 - Best_of_StGallen_8_2020
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Essen, das glücklich macht
«Oh, diese göttlichen Kohlrou- laden»: eine Wortkombination, die für den Schreibenden eigentlich nicht geht. Denn Gemüse duldet er sonst bloss am Tellerrand – als notwendi- ges Übel. Doch Meisterköchin Kathrin Ryter zaubert daraus Wunderbares. Wie gelingt ihr das? Die Geschichte einer aus- sergewöhnlichen Kochkarriere.
Wenn man auf der Terrasse vom Land- gasthof Kapelle in der dör ichen Idylle beim Apéro sitzt, sich vor einem die Linthebene auftut, freut man sich wie ein kleines Kind, dem bald etwas aufgetragen wird. Kathrin Ryter ist vor zwei Jahren per Zufall auf die- sen Betrieb gestossen und machte einen langgehegten Traum wahr. Sie wurde Wirtin und wirbelt jetzt in der Küche – alleine: «Ich brauche da meine Ruhe». Am Mittag gibt es einen Dreigänger, abends setzt sie nicht auf ein  xes Menü, sondern man kriegt, was das Herz begehrt. Sie begann erst spät selber regelmässig zu kochen. Daran war ihre Mutter schuld.
«Selber in die Küche zu stehen, kam mir damals nicht im Traum in den Sinn. Dafür kochte meine Mutter einfach zu gut.» Die gebürtigte Österreicherin servierte ihrer Familie Köstlichkeiten aus ihrer ersten Heimat: «Semmelknödel, Gulasch und na- türlich Apfelstrudel mit Vanillesauce – das mache ich auch gerne für meine Gäste.» Eine eigentliche Gastrolehre hat Kathrin
Ryter nicht gemacht – sie absolvierte das KV, war Hausfrau und arbeitete im Büro. Sie als Quereinsteigerin zu bezeichnen, wäre aber falsch. Die gebürtige Horgenerin sammelte während Jahrzehnten viel profes- sionelle Erfahrung. Kathrin Ryter lässt sich heute in der «Kapelle» nicht von einem eng gesteckten Konzept, sondern einer cleve- ren Mischung leiten.
Sie ist ein gewissenhafter Pro  und handelt gleichzeitig nach dem Lustprinzip. «Am Morgen weiss ich manchmal noch nicht, was mittags auf den Tisch kommt.» Weil Kathrin Ryter aber einen Instinkt besitzt, um den sie mancher gestandene Gastrokollege beneidet, gelingen ihre Sponti-Vorhaben – am Interviewtag zum Wohle des Schrei- benden. Die Rouladen waren köstlich (auch dank der perfekt gewürzten Hack eischfül- lung), die Beilagenspätzli buttrig mit einem Twist – dank einer Prise Chili. Abends füllt sich die «Kapelle» dann mit Menschen, die allesamt zu verzückten Geburtstagskindern werden.
Denn man darf sich von Kathrin Ryter wün- schen, was sie kochen soll. Darf es ein Filet vom heissen Stein mit Pommes und drei verschiedenen Sorten Kräuterbutter sein? Die Hammer-Poulet ügeli? Oder doch lie- ber etwas Raf niertes: Ein liebevoll ange- richteter Loup de Mer mit Miesmuscheln auf Trüffelschaum? Man bestellt zuerst, und erst dann kauft Frau Ryter ein – gerne bei regionalen Lieferanten. Für Fisch geht sie zu «Zahner» in Gommiswald, das Fleisch kommt von der «Burämetzg Thürig» in St. Gallenkappel und das Brot von «Romer» in Benken.
Dass die Lust und die Leidenschaft erhal- ten bleiben, überlässt sie nicht dem Zufall. Sie passt die Gästezahl dem gewünschten Menü an und nicht umgekehrt – damit es die Gäste geniessen und die Wirtin selber auch. Momentan ist Kathrin Ryter noch ein Geheimtipp. Sie wird es nicht mehr lange bleiben. Reservieren Sie deshalb heute noch.
Landgasthof Kapelle
Allenwindenstrasse 5, 8735 St. Gallenkappel
Telefon +41 55 284 17 44 E-Mail ryterkathrin@gmail.com
www.landgasthof-kapelle.ch
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